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Dialektik im Dramaturgischen Denken Friedrich durrenmatts Williams, Uta Barbara

Abstract

Obzwar einige wenige Arbeiten über Dürrenmatts theoretische Prosa erschienen sind, erweisen sich diejenigen, die sich ausschliesslich auf sie stfitzen, als zu unvollstSndig und unkritisch; andere, darunter recht aufschlussreiche Arbeiten behandeln entweder kurz Einzelaspekte der Theorie, oder aber verbin-den diese vorwiegend mit seinem dichterischen Werk. In unserer Untersuchung hatten wir uns eine Doppelaufgabe gestellt; auf der einen Seite versuchten wir, die zahlreichen ira Gesanitwerk verstreuten dra-maturgischen und theatertheoretischen Ausserungen Dürrenmatts unter drei As-pekte einzuordnen: Als erstes wird die Auseinandersetzung des Dramatikers mit der Bühne diskutiert, die auf die Uberbrfickung der traditionellen Antithetik von Dichterischem und Szenischem im Schauspiel mit Hilfe eines "Teams" von Autor und Theaterensemble hinausläuft. Der zweite und umfassendste Teil unserer Arbeit beschSftigt sich mit der Auseinandersetzung Dtfrrenmatts mit der Welt, d. h. mit seinen Ansichten üiber das Verhältnis von Kunst und Wirklich-keit und üiber die Aufgabe des Theaters heute; hier werden mit ästhetischen auch weltanschauliche Uberlegungen des Dramatikers besprochen, bestimrat doch die Art seines Erlebnisses der gegenwärtigen Welt die Art seines dramaturgi-schen Denkens„ Der dritte Teil behandelt Dürrenmatts Auseinandersetzung mit dem Stoff, d. h. den eigentlichen Gestaltungsprozess, der aus einem Einfall eine dramatische Welt erbaut. Die andere Seite der gestellten Doppelaufgabe bestand darin, üiber diese Materialordnung hinaus die oft als widersprfichlich bezeichneten theoretischen Ausserungen Dürrenmatts in einem Leitthema zu vereinheitlichen, wodurch sein dramaturgisches Denken im Lichte der Dialektik gesehen wurde. Doch sollte damit weder eine philosophische Auslegung unternommen, noch eine ideologi-sche Zuordnung des Dramatikers zum Marxismus etwa angedeutet werden; der Komödienautor ist weder Philosoph noch Politiker. Es sei hier einzig seine spe-zifische Denktechnik als Draraatiker gemeint, seine dialektische Methode zum Aufbau seiner KomHdienspiele sowie zur Erkenntnis und DewSltigung der Welt. Als konstruktives Prinzip wurde die Dialektik eirunal in der draraati-schen Form nachgewiesen, da der Komödienautor die Wirklichkeit am Unwirk-lichen, im fiktiven Modell sichtbar zu machen sucht; als sog. Berufst'-fti-ger hat er darait die Aufgabe der Kunst, aus der Bildlosigkeit der Gegenwart ein Bild zu machen, erffJllt. Zum anderen zeigt sich Dürrenmatts dramaturgisch dialektisches Denken im Inhalt, so etwa in der Dramatisierung des Menschen als Doppelwesen, der sich als einzelner von seinem existentiellen Begriff her als Glied der Gesellschaft ihr gegenüiber verantwortlich ffihlt, sich dann aber, als er sich als ein solches Gesellschaftswesen in seinem logischen Begriff schmerzhaft erfShrt, als einzelner zu einer ihm gemcfssen Daseinsform durch-ringt; die schlimmst-mtfgliche Wendung, ein zufcflliges Missgeschick, das die-sem vernfiftig planenden Menschen dabei zum notwendigen Schicksal wird, ist die tragischste Wende, gerade weil es die in die Komrjdie ist. Durch diese Doppelkonzeption vora Menschen wird die Dürrenmattsche KoraHdie zugleich zu einem gesellschaftskritischen, grotesken Zeitstfick und einem individualisti-schen Welttheater von der tragikomischen condition humaine. Ausserdem ver-wiesen wir auf die Dialektik im Gestaltungsprozess selbst, wodurch einer-seits ffir den Btlhnenautor Schreiben und Inszenieren, andererseits bewusste FUgung und ins Blaue hinein entwerfende Fabulierfreude miteinander verzahnt werden. Beztlglich der Wirkung besteht die Dialektik Dürrenmatts in der Ver-bindung von Illusions- und Verfremdungstheater im KomOdienspiel, das gerade durch seine Unverbindlichkeit als reines Theater etwas Verbindliches wird. In dieser unwillkfirlichen Moralitift liegt die erkenntnistheoretische und weltbewifltigende Funktion der Dürrenmattschen Dialektik als Doppelung von pflichtbewusster Analyse und leieht fertigern Spiel üiber die Welt und mit ihr; statt In einer ideologisch ongagierten Dramaturgic von der Aussage her sucht dor Autor in komOdiantischen Gebilden eine Anleitung zu geben, spie-lerisch Uber die Wirklichkeit kritisch nachzudenkcn0 Eine Deutung des als absurdistisch erfahrenen Daseins will er nicht geben, der Sinn seiner Spiele liegt in seinem Spiel mit Sinn. Dieses Spiel will er vora ernstgenommenen Humor her verstanden wissen, wobei dieser Humor als eine Gegenbewegung dem Opti-mismus und dem Pessimismus gegenuber, d. h. als freiwilliger Verzicht auf eine endgiLltige Weltkonzeption und als eine lebensnotwendige Dialektik, als ein positives Trotzdem gewertet werden soil.

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